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Programmieren für jedermann? Was Low Code-Plattformen leisten und was nicht

Nicht IT-Experten sollen künftig kleinere Business-Anwendungen programmieren, sondern die Kollegen aus der Buchhaltung oder dem Marketing. Dazu klicken sie einfach verschiedene Bausteine und Logiken über eine intuitive grafische Benutzeroberfläche zusammen, und fertig ist die App – so jedenfalls die Idee hinter Low Code- bzw. No Code-Plattformen. Aber sind solche Systeme wirklich für den Laien geeignet? Und welche Formen finden sich in der Praxis?

Low Code- oder No Code-Plattformen sind keine neue Idee. Das Thema geistert bereits seit fast zehn Jahren durch die Branche, bekommt aber vor dem Hintergrund des (IT)Fachkräftemangels aktuell wieder Rückenwind. So stufen nach der Trovarit-Studie „ERP in der Praxis 2022/2023“ mittlerweile knapp 30 Prozent der größeren Unternehmen die Entwicklungsplattformen als Trend mit hoher Relevanz ein. Bei kleinen Firmen (unter 100 Mitarbeiter) sind es immerhin noch rund 16 Prozent.

Der Gedanke, dass man für die Erweiterung eines ERP-Systems künftig keine IT-Mitarbeiter mehr braucht, ist verlockend. Denn zum einen würden die IT-Abteilungen entlastet, zum anderen ginge es deutlich schneller, wenn die Fachbereiche ihre Apps „mal eben“ selbst zusammenklicken könnten, statt den Umweg über die IT zu gehen. Doch bei aller Euphorie: Ganz so intuitiv zeigen sich die Programmierplattformen in der Praxis dann doch (noch) nicht. Ein bisschen beschäftigen muss man sich mit der Entwicklungsplattform schon, und ganz ohne IT-Kenntnisse geht es auch nicht. Ähnlich wie bei der Smart-Home-Anwendung zu Hause sollte der Nutzer zumindest ein bisschen Spaß an technischer Frickelei mitbringen.

Dennoch: Potenzial hat diese Programmierweise nach dem Baukasten-Prinzip allemal. Wir haben uns die verschiedenen Ausprägungen daher einmal genauer angesehen.

Customizing oder Neuentwicklung?

Grundsätzlich lassen sich drei unterschiedliche Ansätze unterscheiden:

Low Code ERP Customizing beschreibt die Erweiterung oder Anpassung eines ERP-Systems, bei dem die Programmierplattform bereits integriert ist. Bei einigen ERP-Herstellern gehört das heute schon zum Standard. Die GUS-OS Suite verfügt über ein besonders leistungsfähiges Low Code Framework. Es bietet die Möglichkeit, bestehende Geschäftsprozesse relativ einfach an neue Anforderungen anzupassen. Das können simple Felderweiterungen sein, wie zum Beispiel kundenspezifische Klassifizierungen. Aber auch Änderungen an bestehenden Abläufen sind möglich. So lassen sich beispielsweise bei der Auftragsanlage zusätzliche Prüfschritte – etwa für Sanktionslisten – ergänzen.

Eine Variante des Low Code ERP Customizing ist das Low Code ERP Development. Auch hier ist die Entwicklungsplattform Teil des vorhandenen ERP-Systems. Allerdings wird sie dazu genutzt, Geschäftsprozesse außerhalb des ERP-Kerns zu digitalisieren. Derartige Erweiterungen sind ebenfalls mit dem GUS-OS Framework möglich. Beispiele sind Checklisten und Workflows für Compliance-Checks und Audits. Kernstück bei GUS-OS sind ein integriertes Werkzeug zur Datenmodellierung, eine Workflow-Engine sowie ein User-Interface-Kit, mit dem sich Dialoge und Anwendungen aus bestehenden Komponenten zusammenstellen lassen. Dabei haben diese vollständigen Zugriff auf die Business-Logik und die Daten der GUS-OS ERP Suite.

Die Low Code ERP Extension ist für Unternehmen interessant, die ein älteres und relativ unflexibles (Legacy-)System im Einsatz haben. Hier lassen sich über eine externe Plattform ebenfalls schnell und unkompliziert eigene Low-Code-Apps entwickeln. Die Daten werden dabei über Schnittstellen mit dem Back-End-System ausgetauscht. Nahezu alle klassischen Low Code-Anbieter verfolgen diesen Ansatz, wie z.B. Mendix oder die Microsoft Power Platform.

Schließlich ist es auch denkbar, eine komplette ERP-Lösung mit Hilfe einer Low Code-Plattform zu entwickeln oder zu portieren („Low Code ERP“). Diese Plattformen sind jedoch heute und vermutlich auch in Zukunft eher die Exoten unter den Low Code-Modellen. Anbieter, wie beispielsweise Thinkwise oder Scopeland Technology, importieren die Datenmodelle von Legacy-Applikationen, um so eine Neuentwicklung zu vereinfachen und zu beschleunigen. Der Low Code ERP-Ansatz ist weniger für die Portierung eines Standard-ERP-Produktes geeignet, als vielmehr für die Ablösung von individuell gewachsenen Kundensystemen durch ein moderneres System.

Integrierte oder externe Low Code-Plattform?

Vergleicht man integrierte mit externen Low Code-Plattformen, weisen beide Varianten Vor- und Nachteile auf. Bei einem integrierten Low Code Framework sind bereits wesentliche Funktionen, wie die Stammdatenverwaltung oder Business-Logik-Bausteine im System vorhanden. Entsprechend einfach können die Nutzer darauf über die Plattform zugreifen. Zudem funktioniert bei dieser „Customizing“-Variante das Zusammenspiel selbst programmierter Apps mit den bestehenden ERP-Anwendungen meist reibungslos. Ein weiterer wesentlicher Pluspunkt: Bei einer integrierten Low Code-Plattform können Unternehmen auf bestehende Releasemanagement-Prozesse aufsetzen. Und schließlich gibt es auch in Bezug auf die Kosten Unterschiede: Bei integrierten Low Code-Plattformen fallen für bestehende ERP-User meist keine zusätzlichen Lizenz-/Nutzungs-Kosten an – jedenfalls solange man sich im ERP-Core bewegt. Wenn man allerdings neue, nicht zum Kern gehörende ERP-Prozesse digitalisieren möchte, sind diese neuen Anwender relativ teuer, da für sie zusätzliche Nutzer-Lizenzen benötigt werden.

Externe Low Code-Plattformen haben einen generischen Ansatz. Sie sind in vielen Fällen bereits Cloud-native, allerdings muss eine Schnittstelle zum bestehenden ERP-System eingerichtet und gepflegt werden. Zwar fallen hier die Kosten für die Nutzer-Lizenzen (im Vergleich zu einem ERP-User) deutlich günstiger aus, dafür müssen aber zusätzliche Gebühren zu den bestehenden ERP-Nutzungsgebühren einkalkuliert werden. Kritischster Punkt bei externen Plattformen ist das Releasemanagement. Denn wenn der oft zitierte „Fachabteilungs-Developer“ eigenständig und ohne Kontrolle der IT-Abteilung in der Lage ist, auf einer externen Plattform eigene kleine Apps zu programmieren, entsteht schnell ein Wildwuchs, der sich irgendwann nur noch schwer einfangen lässt. IT-Abteilungen sollten daher frühzeitig ein besonderes Augenmerk hierauf richten und notwendige Leitplanken setzen.

Ohne IT-Wissen geht es nicht

In einer Welt, in der IT-Experten immer schwerer zu finden sind, bieten Low-Code-Plattformen Unternehmen die Chance, die Anwendungsentwicklung oder Anpassungen von Standard-ERP-Lösungen zumindest teilweise in die Fachabteilungen zu verlagern. Die Mitarbeiter dort kennen die Geschäftsprozesse im Detail. Sie können die Apps daher sehr gezielt auf ihre Bedürfnisse zuschneiden und so selbst die Digitalisierung von Unternehmensprozessen vorantreiben. Aber: Noch bedeutet das Entwickeln auf Low Code-Plattformen mehr als das Zusammenklicken bunter Programm-Bausteine. In der Realität müssen die IT-Laien daher in den meisten Fällen von einer IT-Fachkraft begleitet werden. Hinzu kommt, dass vor allem bei externen Plattformen eine enge Steuerung sowie ein professionelles Releasemanagement durch die IT-Abteilung unverzichtbar sind.